19.01.2022

Gute Gründe für die Zweiterstellung

„Es sind immer die einfachsten Ideen, die außergewöhnliche Erfolge haben“. Dieses Tolstoi-Zitat trifft auf das Projekt Zweiterstellung von SWB Bus und Bahn zu. Bis zum nächsten Jahr werden die letzten fünf von insgesamt 26 Stadtbahnen aus den 70er Jahren modernisiert. Das nehmen wir zum Anlass, noch einmal ausführlicher über dieses Projekt zu berichten.

Die Idee dazu entstand im Jahr 2007. Die auf den Stadtbahnlinien eingesetzten Fahrzeuge waren in die Jahre gekommen und die ältesten Stadtbahnen sind schon damals mehr als 30 Jahre im Einsatz gewesen. Es war absehbar, dass diese Fahrzeuge nicht mehr lange fahren können. Neue Bahnen mussten her, doch aktuelle Modelle konnten zu diesem Zeitpunkt von der Qualität nicht überzeugen. 

Warum also nicht neue Wege gehen und die vorhandenen Stadtbahnen der Firma DUEWAG komplett überholen und modernisieren? Ein Umbau würde nur ein gutes Drittel der Kosten im Vergleich zu einer Neuanschaffung ausmachen. Neue Arbeitsplätze würden entstehen, weniger Ressourcen und Emissionen anfallen. Allein durch die alten Karosserien der 26 Fahrzeuge aus den 70er Jahren würden 750 Tonnen Stahl und 47 Millionen Euro eingespart werden.

Erste Schritte

Gesagt, getan. Mit Zustimmung der Aufsichtsräte und den zuständigen Gremien wurde die Entscheidung getroffen, die Stadtbahnwagen in Eigenregie zu modernisieren. Das SWB-Großprojekt "Zweiterstellung" konnte beginnen. Ideen wurden zur Papier gebracht und mit der Aufsichtsbehörde abgestimmt. Wie sollte die neue Bahn aussehen? Was soll verändert werden? Was kann man verbessern? Bereits während der Planung wurde im Betriebshof Beuel eine vorhandene Halle für die Modernisierung der Fahrzeuge eingerichtet. 2010 wurde ein Team aus Karosseriebauern, Schlossern, Schweißern, Schreinern, Lackierer, Elektriker und Industriemechaniker zusammengestellt und das erste Fahrzeug konnte modernisiert werden.

Ressourcenschonende Modernisierung

Rund ein Jahr dauert es, bis aus einem B-Wagen eine zweiterstellte Bahn wird. Das klingt lang, die Fotos verdeutlichen den immensen Arbeitsaufwand. Meist wird an mehreren Bahnen parallel gearbeitet. Die Arbeiten finden zeitversetzt statt, sodass im Schnitt jährlich zwei bis drei Bahnen jährlich in die Zweiterstellung geht. Die Modernisierung beginnt mit der Demontage des Fahrzeuges an deren Ende fast nur noch die Karosserie steht. Mehr als 80 Prozent der Demontagearbeiten müssen per Hand ausgeführt werden. Die Karosserie wird geschliffen und der alte Lack der Fahrzeuge völlig entfernt. Schließlich kümmert sich das Team um die fachgerechte und umweltschonende Entsorgung von Materialteilen, die nicht wieder eingebaut werden können.

Zu sehen ist B-Wagen nach der Demontage. Verkleidungen, Sitze, Türen und Fenster wurden ausgebaut. ©M.Magunia
Der B-Wagen nach der Demontage. Verkleidungen, Sitze, Türen und Fenster wurden ausgebaut. ©M.Magunia

Das Material wird getrennt und soweit wie möglich ressourcenschonend in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt. Ist die Fahrerkabine schließlich entkernt und vergrößert worden, wird das Fahrzeug für die Lackierung vorbereitet. Dafür wird die entkernte Bahn - ohne Fenster und Türen -  von einer anderen Stadtbahn zum Betriebshof Dransdorf gezogen. Dort erhält sie ihre neue Grundierung und den neuen Lack. Auch Zubehörteile werden hier lackiert. Danach geht es zurück in den Betriebshof Beuel, die Modernisierung kann beginnen.

Zu sehen ist eine Bahn nach den Vorbereitungsarbeiten wird das Fahrzeug zum Lackieren zum Betriebshof Dransdorf überführt. ©M.Magunia
Nach den Vorbereitungsarbeiten wird das Fahrzeug zum Lackieren zum Betriebshof Dransdorf überführt. ©M.Magunia
Zu sehen ist der Innenraum der Fahrerkabine. Auch ein Verbesserung des Arbeitsplatzes stand im Focus der Zweiterstellung, die Fahrerkabine wurde vergrößert. ©M.Magunia
Auch ein Verbesserung des Arbeitsplatzes stand im Focus der Zweiterstellung, die Fahrerkabine wurde vergrößert. ©M.Magunia

Nachhaltiger Antrieb

Mit dem Start der Montage erhält das Fahrzeug zunächst einen neuen Fußboden. Es werden neue Decken-und Seitenverkleidungen und Sitzpodeste montiert. Für das Werkstattteam heißt das viel Handarbeit, denn es müssen immer wieder angelieferte Materialteile angepasst werden. Auch der neue Antrieb wird angebracht. Er arbeitet wie ein Dynamo: Energie, die das Fahrzeug nicht braucht, wird zurück ins Netz gegeben und von anderen Stadtbahnen abgenommen. Dies senkt Energie- und Betriebskosten im Bahnbetrieb.

52 Kilometer neue Kabel

Antrieb, Stromabnehmer, Lautsprecher, Monitore, Beleuchtung, Heizung, elektrische Türen - all diese technischen Einrichtungen müssen verkabelt und angeschlossen werden. Hierfür verlegt das Elektro-Team sage und schreibe 52 Kilometer Kabel. Nach der Verkabelung werden die Leitungswege und Anschlüsse geprüft, bevor testweise Strom auf das Fahrzeug gegeben wird. Funktioniert alles? Laufen die Monitore, leuchten die Lampen, funktionieren die Heizungen und die Türen?

Verbesserung für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste

Beim Projekt Zweiterstellung wurden mobilitätseingeschränkte Fahrgäste aktiv in der Gestaltung des Fahrzeuges mit eingebunden. Das Mittelportal im Fahrgastraum verfügt nun über ein deutlich größeres Platzangebot für Rollstühle und Rollatoren, aber auch für Kinderwagen und Fahrgäste mit viel Gepäck. Ein moderner Taster in Höhe eines Rollstuhls erleichtert den Kontakt zum Fahrpersonal und das Öffnen der elektrischen Türen, die in diesem Fall länger geöffnet bleiben. Auf Klappsitzen haben auch Begleitpersonen eine bequeme Fahrt in den modernisierten Fahrzeugen. (mw)

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