06.09.2023

Fliegender Rolltreppenwechsel

Im Bonner Hauptbahnhof ist immer etwas los. Aber was sich in den vergangenen Wochen hinter dem mannshohen, 20 Meter langen Bauzaun auf dem Bahnsteig zwischen den U-Bahn-Gleisen zwei und vier abspielte, war nicht alltäglich. Info-Plakate verrieten es: SWB Bus und Bahn hat die Rolltreppen erneuert, die zur Unterführung der Stadtbahngleise führen. Der Austausch erfolgte unterirdisch und - weil Lkw da nicht hinkommen - per Bauzug. Um den laufenden Betrieb nicht zu stören, wurden die Arbeiten in die Nachtruhe verlegt.

Die neuen Rolltreppen lösen die alte Anlage nach 45 Jahren ab. (Fotos: SWB/Benjamin Westhoff)

Lange war alles vorbereitet, jeder Zentimeter zwischen Dach und Boden vermessen. Nun stand das SWB-Team gemeinsam mit Monteuren des Treppenherstellers parat. Eine Linie 18 aus Köln musste noch durch, dann rollte um kurz nach 23 Uhr auf Gleis 2 der Bauzug an. Seine Fracht: Eine zerlegte Rolltreppe, die am Morgen auf dem Betriebshof in Beuel von Tiefladern auf die Ladeflächen des Zugs gehievt worden war – in zwei Teilen plus Aufbaumaterial. Das alles wurde auf dem Bahnsteig abgeladen. Ganz sachte, versteht sich, was bei einem Gewicht von fast zehn Tonnen pro Rolltreppe, die der Fachmann „Fahrtreppe“ nennt, gar nicht so einfach ist.

Für Lieferung und Abtransport der neuen und alten Fahrtreppen wurde der Bauzug genutzt.

10-Tonnen-Kolosse in der Schwebe

Mitarbeitende der SWB hatten mithilfe von Monteuren die Vorgängertreppe in den vergangenen Wochen tagsüber demontiert. Spannend war dabei die besondere Vorgehensweise, denn durch den beengten Raum im Untergrund, konnten die Treppen nicht an einem Stück von einem großen Kran aus dem mehr als fünf Meter tiefen Schacht heraus- bzw. hineingehoben werden. Stattdessen mussten die alten Rolltreppen von den Kränen zunächst leicht angehoben, in zwei Teile geschnitten und nacheinander herausgezogen werden. Mitsamt dem übrigen Altmetall wurden diese zum Abtransport auf den Zug verladen. Die neue Treppe – ebenfalls in zwei Teile zerlegt – wurde danach in die Grube herabgelassen. Dabei wurden die beiden Bestandteile noch in der Luft miteinander verschraubt und letztlich im Schacht abgesetzt. Danach wurde mit der Verkabelung der neuen Anlage begonnen.

Die Kräne wurden speziell für die beengten Platzbedingungen gebaut.
Ein ungewöhnlicher Anblick: Der Zugang zur Stadtbahnunterführung ohne Rolltreppen.

Millimeterarbeit mit Muskelkraft

„Für die ungewöhnliche Montage haben die Arbeitenden maßgeschneiderte Kräne gebaut, die denen in Containerhäfen ähneln“, erklärt Florian Montcenis, Projektleiter bei SWB Bus und Bahn. Auf ebenfalls eigens installierten Schienen liefen die Kranbrücken, von denen dicke Ketten mit schweren Haken baumelten. Diese wurden in die speziell an die Treppen montierten Ösen eingehängt, und die Stahlkonstruktionen dann mittels Kettenzügen und mit Muskelkraft millimetergenau vor- und zurückgeschoben respektive gehoben oder gesenkt.

Die alten Rolltreppen haben ausgedient.

„45 Jahre haben die alten Rolltreppen ihren Dienst getan“, so Montcenis. 1978 gehörten sie zu den ersten Fahrtreppen, die am Bonner Hauptbahnhof in der U-Bahn eingebaut wurden. Ihre Nachfolger bieten unter anderem mehr Fahrkomfort und Sicherheit durch sanft anlaufende Stufen. Sie verfügen außerdem über sensible Radartechnik, durchgängige LED-Beleuchtung und einen Schleich- und Ruhemodus bei Nichtgebrauch. „Diese Ausstattung sowie der hocheffiziente Antrieb erhöhen die Verfügbarkeit und senken die Energiekosten und CO₂-Emissionen“, so Montcenis.

Erfolgreiche Nachtschicht

Nach fünf Stunden Schwerstarbeit hieß es: „Geschafft!“ Zeitig vor Beginn des Frühverkehrs in der U-Bahn war Bahnsteig 2 wieder frei. Während der Austauscharbeiten blieben neben den festen Treppen auch die anderen Fahrtreppen nutzbar, die Bahnen konnten weiterfahren.

In der Folgenacht wurde auch die zweite der beiden nebeneinander liegenden Rolltreppen erfolgreich ausgetauscht. Die Mitarbeitenden der SWB hatten bereits eine Woche vorher Bahnsteigschilder hochgeklappt, Sitzbänke und Mülleimer ab- und die Spezialkräne aufgebaut. Nach dem geglückten Einbau der Anlagen werden sie diese nun wiederum tagsüber neu verkabeln, Handläufe, Schaltkästen und Geländer installieren und die umliegenden Wand- und Bodenbeläge erneuern. Montcenis: „Unmittelbar nach der TÜV-Abnahme werden die Fahrgäste sie nutzen können.“

SWB-Projektleiter Florian Montcenis hat bereits einige Rolltreppenwechsel betreut.

Stadtwerke investieren 3,4 Millionen Euro

Nach den vier Anlagen am Hauptbahnhof werden zwischen September und Dezember noch fünf Rolltreppen an den Haltestellen „Heussallee“ und „Wurzer Straße“ modernisiert. Jede Treppe ist ein Unikat. Insgesamt neun Fahrtreppen tauscht SWB Bus und Bahn in diesem Jahr. Dafür investiert das Bonner Verkehrsunternehmen 3,4 Millionen Euro. Im Rahmen des Förderprogramms „Kommunale Schiene“ wird die Maßnahme mit einem Fördersatz von 60 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben durch den Zweckverband go.Rheinland gefördert. (as/cp)

Impressionen von der Anlieferung der neuen Rolltreppen gibt es in einem Video.

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